Katastrophale Hochwasser und Überschwemmungen gab es schon immer, sie waren schon seit Urzeiten eine Bedrohung für Mensch und Tier. Egal, welche Vorbereitungen wir treffen – jedes Hochwasser ist anders und es gibt keinen hundertprozentigen Schutz davor.
Unsere Hochwasser- und Wetterdaten reichen bis etwa 1880, danach nimmt die Zuverlässigkeit ab. Somit verfügen wir über etwa 100 Jahre statistische Beobachtung – nicht besonders lang, sagen Skeptiker, um von einer Vermehrung von Katastrophen zu sprechen. Umgekehrt bedeutet dies aber auch: Wenn unsere Statistik nicht ausreicht, um eine Warnung zu geben, kann auch keine Entwarnung gegeben werden. Aber es bestehen sehr berechtigte Zweifel, ob die Hochwasser-Katastrophen in der letzten Zeit nur zufällige Häufungen sind.
Auch über eine längere statistische Sicht ist z. B. das Hochwasser vom August 2002 eine Ausnahmeerscheinung, vergleichbar mit einem der Hochwasser im 15. Jahrhundert, die von ihrer Höhe bisher unübertroffen waren. Mit anderen außergewöhnlich großen Hochwassern teilt es sich die letzten 20 Jahre. Diese Häufung mag Zufall sein, argumentieren Optimisten. Mit jedem neuen Regenrekord und mit jedem weiteren Hochwasser wird aus der Spekulation, ob Hochwasser mehr werden, Tatsache. Bei einigen Mosel- und Rheinhochwassern der letzten zehn Jahre war der Anstieg und die Schnelligkeit des Ansteigens atemberaubend – so etwas wurde noch nie gemessen, ein Indiz für die „neuartigen Hochwasser“.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Doch in welchen Gebieten kam es in der Vergangenheit (und kommt es in der Gegenwart) besonders häufig zu Hochwassersituationen?
- 2 Welche grundsätzlichen Ursachen kann Hochwasser noch haben?
- 3 Versiegelung als Faktor im Hochwasserschutz
- 4 Früher und heute
- 5 Kommunen als Profiteure und Mitverursacher von Versiegelung
Doch in welchen Gebieten kam es in der Vergangenheit (und kommt es in der Gegenwart) besonders häufig zu Hochwassersituationen?
Grundsätzlich gibt es in Deutschland kaum eine Region bzw. kaum einen Ort, an dem kein Hochwasser auftreten kann. Besonders gefährdet sind jedoch alle Regionen und Gebiete, die in der Nähe eines stehenden oder fließenden Gewässers liegen. Konkret sind das:
- Die gesamte Küstenregion der Nord- und Ostsee, inklusive der entsprechenden Meeresarme, die in das Festland hineinragen, wie etwa der Jadebusen.
- Größere und kleinere Städte, durch die Flüsse fließen. Hier kommt es besonders oft zu Hochwasser, da die Flussbetten fast alle in der Vergangenheit eingeebnet und begradigt wurden und somit das Wasser keine Möglichkeit hat, auf angrenzende Flächen auszuweichen.
- Regionen, Städte und Dörfer, die in geographischen Senken liegen, so dass sich einströmendes Wasser dort besonders leicht sammeln und schlecht wieder abfließen kann.
- Regionen, Städte und Dörfer, die sich in Alpennähe befinden. Dort kann sich nach strengen Wintern das Schmelzwasser seinen Weg ins Tal bahnen und sorgt hier sehr häufig für teilweise extreme Hochwassersituationen.
- Wie oben bereits angesprochen: Alle Städte, Kleinstädte und Dörfer, die an begradigten, eingeebneten Gewässern liegen. Hier rächen sich die Bausünden der sechziger und siebziger Jahre, als Flüsse und Bäche in Deutschland massenweise eingeebnet wurden, um neues Bauland schaffen, und man dabei wertvolle Auen vernichtete.
Welche grundsätzlichen Ursachen kann Hochwasser noch haben?
Grundsätzlich gilt das Verhältnis zwischen Wasservolumen und zur Verfügung stehendem Raum als wichtigster Faktor für Hochwasser:
- Es gibt zuviel Wasser, das in ein Gewässer herein fließt (Input) oder zuwenig, was heraus fliesst (Output). Vergleichbar mit einer Badewanne, kann der Abfluss eine bestimmte Menge Wasser abgeben. Ist der Input höher als der Output, steigt das Wasser. Egal ob man nun zuviel herein fließen lässt oder (z. B. durch Stöpseln) zuwenig heraus.
- Es gibt zuwenig Platz für dieses Wasser – bei steigender Menge steigt auch der Pegel. Hochwasser ist oft relativ zur durchschnittlichen Wassermenge eines Gewässers zu sehen und damit auch Auslegungssache. Hoch- oder Niedrigwasser wird von den zuständigen Behörden in Abhängigkeit zu einem Mittelwert berechnet.
Architektur in Hochwassergebieten
Früher gab es in traditionellen Hochwassergebieten noch wenig Deiche. In den Gebäuden waren Hochwasser schon eingeplant (z. B. in den Elbniederungen). Man hatte keine Pumpen aber auch keinen Keller, das untere (oft gekachelte) Geschoss wurde geräumt und dann nach dem Hochwasser wieder vom Schlamm befreit.
Warften in Norddeutschland / Küste
Andere Lösungen sind die Warften der friesischen Halligen. Bis vor wenigen Jahren ohne Damm und Eindeichung lagen die Häuser z. B. auf Langeneß alle auf Erdhügeln und bleiben trocken. Weil wir das Problem Hochwasser vergessen und verdrängt haben, sind diese alten Bauformen kaum noch praktiziert worden, erst durch das Hochwasser 2002 wurden auch architektonische Lösungen verstärkt angedacht. Dennoch gibt es neue Ansätze, vor allen Dingen an der Mosel oder größeren Flüssen. Dort sind z. B. die unteren Stockwerke so gebaut, dass sie schneller trocknen und es kaum Risse gibt. Außerdem ist die Ölheizung (sofern überhaupt vorhanden) und die Energieversorgung oben am Haus angebracht oder überflutungsfähig. Bei den Menschen in traditionellen Überschwemmungsgebieten kann man auch eine entsprechend gelassenere Einstellung bemerken.
Die Hochwasserschutzstrategien sind zunächst das klassische Widerstehen gegenüber Fluten (z. B. durch Flutsperren am Hauseingang), das elegante Umgehen des Problems (z. B. durch Höherlegen des Eingangs), aber auch das kontrollierte Nachgeben (z. B. das Fluten von Kammern, um ein Aufschwemmen des Gebäudes zu verhindern).
Hochwasserschutz-Architektur kann allerdings nur da sinnvoll sein, wo bereits Siedlungen in hochwassergefährdenden Bereichen existieren. Hochwasserschutz am Bau macht ein Haus meist viel teurer (Experten gehen von etwa 10 % der Rohbausumme zusätzlich aus), daher sollte man allein aus finanziellen Gründen Flussauen meiden, denn hochwasserangepasste Architektur kann kein Ersatz für fahrlässige Bebauungspläne in Retentionsflächen bedeuten.
Versiegelung als Faktor im Hochwasserschutz
Grob betrachtet scheint die Bundesrepublik Deutschland von viel Wald und Landwirtschaft geprägt. Doch dieser Eindruck täuscht, denn fast nirgendwo sonst gibt es ein Land, das annähernd so dicht besiedelt ist wie Deutschland. In der Bundesrepublik gibt es z. B. insgesamt mehr Verkehrsflächen als Wasserflächen. Auch der Anteil der Gebäude in Relation zu nicht genutzer Freifläche ist relativ hoch. Grade durch Straßenverkehr und den Bau von Gewerbeparks und Häusern steigt der Anteil der versiegelten Fläche noch. In der Bundesrepublik sind mehr als 12,4 % der Fläche stark versiegelt.
Landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Flächen machen mehr als zwei Drittel der Fläche der BRD aus. Durch die neuen Bewirtschaftungsmethoden mit schweren Maschinen wird der Boden verdichtet. Selbst wenn die Bodenverdichtung nicht wie im Straßenbau 100 % beträgt – allein die Fläche macht diese Bereiche zu Problemkindern.
Früher und heute
Raubbau an Wäldern führt ebenfalls dazu, dass weniger Wasser zurückgehalten wird. Die Wasser-Rückhaltebilanz funktionsfähiger Wälder ist in ihrem Beitrag von Wasser zu Fläche kaum noch zu überbieten.
Regional ist die Versiegelung noch höher – vor allem im urbanen Bereichen. Täglich wird eine etwa 117 Hektar große Fläche versiegelt. Das wären 160 Fußballfelder pro Tag an neuversiegelter Fläche (Quelle: Stat. Bundesamt). Durch die Tatsache, dass wir in Deutschland mit dem Ruhrgebiet, dem Rhein-Main-Gebiet und mit den Großstädten zu den dicht besiedelsten Räumen der Welt gehören, sind wir auch die am massivsten versiegelte Fläche überhaupt.
Das hat Folgen: Experten schätzen, dass durch die Bewirtschaftung von Forsten und landwirtschaftlichen Flächen bis zu 3 % des Speichervolumens für Wasser verloren gehen – bei dem großen Anteil folgt daraus eine vermehrte Oberflächenwasserabgabe, ergo gibt es dadurch mehr „Hochwasser-Input“. In besiedelten Räumen kommt noch wesentlich mehr als 3 % des Speichervermögens unter die Räder – bis zu 100 % des Bodens ist versiegelt, und das Wasser ist sofort in der Kanalisation bzw. kurze Zeit später im Fluss.
Kommunen als Profiteure und Mitverursacher von Versiegelung
Für viele Kommunen ist es offenbar noch immer kein Thema, in einer Flussaue zu bauen und dies sogar noch als „attraktiv“ zu verkaufen. Jenseits der ökologischen Bedenken sind problematische Siedlungsprojekte keine Ausnahme. Hier wird mit keinem Wort auf die latente Hochwassergefahr hingewiesen, die Bauvorhaben in Flussnähe beinhalten. Bevor der Zug für Hochwasserschutz abgefahren ist, sollte man lieber woanders bauen.